Grünes Kapital für die Zukunft: Finanzwesen und nachhaltige Investitionen in der Schweiz

Finanzwesen nachhaltige Investitionen Schweiz
Grünes Kapital als Nährstoff für nachhaltige Innovationen | © Schweizerischer Nationalfonds (SNF)

Bund und Finanzinstitute stehen in der Schweiz vor der Aufgabe, Investitionen verstärkt nach dem Gebot nachhaltiger Finanzen zu tätigen. Dies mit dem Ziel, Wirtschaft und Sozialsysteme so zu fördern, dass sie im Einklang mit den Grenzen unseres Planeten stehen. Und zugleich das allgemeine Wohlbefinden fördern. Doch welche Charakteristika muss ein progressives Finanzwesen aufweisen, damit es – gewissermassen als Motor – weitere Akteure ermutigt und motiviert, auf nachhaltige Investitionen zu setzen?

Das NFP 73 hat zum Schweizer Finanzwesen mehrere Analysen durchgeführt. Dazu zählen u. a. die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Finanzierung von Cleantech. Auch wurde das Konzept einer Schweizer Nachhaltigkeitsbörse evaluiert. Die veröffentlichten Ergebnisse verstehen sich als Wegweiser. Sie zeigen für die Schweiz einen gangbaren Weg in eine Zukunft mit einem der Nachhaltigkeit verpflichteten Finanzsystem.

Doppelte Wesentlichkeit und Finanzwesen

Die Begrifflichkeit doppelte Wesentlichkeit beschreibt die wechselseitige Beziehung zwischen Umwelt und Finanzsektor. Sie entsteht durch das finanzielle Risiko, dem ein Unternehmen aufgrund des Klimawandels ausgesetzt ist, wie ich durch die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf das Klima.

Diese ungewöhnliche, aber häufige Koppelung bedeutet ein doppeltes Risiko: Zum einen die Gefahr einer Umweltdegradation und des Verlusts der Artenvielfalt. Zum anderen das physische bzw. finanzielle Risiko für Unternehmen durch die Abnahme der Ökosystemleistungen, sowie Reputations- und Übergangsrisiken durch negative Umwelteinflüsse.

Veränderung von Kapitalflüssen für eine nachhaltige Wirtschaft

Die gegenwärtigen Bemühungen des Bundes im Bereich nachhaltige Finanzen sind geprägt von den Themen Klima und Biodiversität. In diesen Bereichen bestehen Verpflichtungen zur Lenkung der Finanzströme oder sie werden aktuell erarbeitet. Zudem sind in diesen Feldern die dazu erforderlichen Grundlagen wie Datenverfügbarkeit, Messmethoden und das Instrumentarium zur Preissetzung auf internationaler Ebene am weitesten vorangeschritten.

Eine verstärkte Umlenkung des Kapitals in nachhaltige Finanzinstrumente und grüne Innovationen erfordert einen Markt für derartige Investitionen. Hier ist die Umweltpolitik gefordert. Deren Entscheidungstragende müssen darauf hinarbeiten, die Bedingungen sicherzustellen, welche die Nachfrage von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen steigern.

Denn der Kapitalfluss in nachhaltige Investitionen orientiert sich – wie der gesamte Finanzmarkt – an Marktperspektiven und Wachstum. Darum sollte das Risikokapital für die Förderung von entsprechend ausgerichteten Start-ups in ihrer Anfangsphase nicht allein vom privaten Sektor aufgebracht werden müssen.

Nachhaltige Investitionen in Form von Green Bonds

Die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft bedeutet für die Prüfung von Investitionsmöglichkeiten, über traditionelle Anlagen hinaus zu denken: Finanzmittel müssen für umweltfreundliche Projekte mobilisiert werden. Ein wichtiger Katalysator dafür sind Green Bonds.

Green Bonds signalisieren im Finanzmarkt als Anlageinstrument das Interesse der Anleger und von Unternehmen an nachhaltigen Investitionen. Denn dieses Finanzinstrument bündelt Kapital für umweltpositive Vorhaben.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Jean-Charles Rochet wurde vom NFP 73 untersucht u. a., wie Green Bonds Investitionsentscheidungen beeinflussen und den ökologischen und sozialen Fussabdruck institutioneller Portfolios verdeutlichen.

Die Resultate des Projektes lassen sich in vier Hauptbereiche ordnen:

  • Zertifizierung von Finanzierungen: Unternehmen können durch die Emission von als „grün“ zertifizierten Finanzprodukten, wie Green Bonds, signalisieren, dass sie einen Beitrag zur Energiewende leisten. Die Neigung zur Ausgabe solcher Bonds steigt, wenn Unternehmensleitungen einen starken Bezug zum Aktienkurs haben. Es zeigt sich, dass die Bereitschaft zur Reduktion von CO₂-Emissionen durch die Signalwirkung der Green Bonds gefördert wird.
  • Nachhaltigkeit-Fussabdruck institutioneller Investoren: Institutionelle Anleger haben eine wesentliche Rolle in der Förderung von Nachhaltigkeit. Allerdings setzen nicht alle Investoren ihre Behauptungen, Nachhaltigkeit zu fördern, in die Tat um. Die Untersuchung deckt auf, dass ESG-Ratings (Environmental, Social, and Governance) unter verschiedenen Datenanbietern stark variieren und Unsicherheit bei Anlegern verursachen.
  • Nachhaltige Mikrofinanzierung: Off-Grid Solar Energy (OGS) Systeme sind essenziell für den Zugang zu erschwinglicher und nachhaltiger Energie für einkommensschwache Haushalte ohne Bankzugang, was zur Erreichung des Sustainable Development Goal 7 beiträgt. Pay-as-you-go-Finanzierungen, die den Grossteil der Solarinvestitionen ausmachen, erweisen sich als effektiv, obwohl die Skalierbarkeit herausfordernd bleibt.
  • Nachhaltigkeitsbörse in der Schweiz: Trotz eines grossen Marktes für Sozialunternehmen und nachhaltige Investments ist die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsbörse komplex. Erfolgsfaktoren umfassen strategische Partnerschaften und Fokus auf Wirkungsüberprüfung. Der Aufbau einer eigenständigen Infrastruktur wird nicht empfohlen.

Bereits im Oktober 2022 hat die Schweizer Regierung erfolgreich ihren ersten Green Bond mit einem Volumen von 766 Millionen CHF emittiert. Langfristiges Ziel ist es, das Emissionsvolumen von Green Bonds in der Schweiz jährlich um mehrere Hundert Millionen CHF zu steigern.

Details und weitere Informationen u. a. zum Hintergrund, Ziel und Bedeutung für die Praxis finden sich online im NPF 73-Projekt „Nachhaltiges Finanzierungswesen“.

Cleantech als Wegbereiter für nachhaltige Investitionen

Dr. Joëlle Noaillys Projekt „Finanzierung von Cleantech“ beleuchtet die Notwendigkeit, Finanzströme in Technologien zu lenken, die eine CO₂-arme Zukunft ermöglichen. Das Problem dabei: Investoren sehen Cleantech (engl. für saubere Technologien) aufgrund seiner Abhängigkeit von politischen Entscheidungen und seiner Kapitalintensität in der Regel als risikoreich an.

Gefordert ist deshalb die Politik: Instrumente am Kapitalmarkt wie Venture Capital oder Crowdfunding bieten sich zwar für die Finanzierung von Cleantech an, sind aber für die Finanzierung von sauberen Technologien nur geeignet, wenn dafür zuerst Standards etabliert werden.

Investitionen in Cleantech sind grundlegend für den Übergang zu erneuerbaren Energien. Darum unterstreicht Dr. Noaillys die Wichtigkeit einer konsistenten schweizerischen Klimapolitik. Dass diesbezüglich immer wieder eine politische Verunsicherung hinsichtlich Investitionen in technologische Innovation in der Umwelttechnik auszumachen ist, thematisiert die Studienautorin auch im NFP 73-Podcast mit Dr. Barbara Dubach.

Regulierungsrisiken waren bisher nur schwer zu messen. Ein wichtiger Beitrag zur Förderung von Cleantech-Investitionen in der Schweiz ist darum die im Rahmen dieses Projektes erfolgte Entwicklung zweier neuartiger Indizes zur Einordnung umweltpolitischer Unsicherheiten.

Publikationen zum Schweizer Finanzwesen im Rahmen des NFP 73-Projekts

Gesammelt sind Informationen und Erkenntnisse zu den Forschungsergebnissen des NFP für eine nachhaltige Wirtschaft im Publikations-Centre.

Dieser Text entstand in Kooperation mit dem Nationalen Forschungsprogramm (NFP 73). Die redaktionelle Verantwortung für sämtliche Textinhalte obliegt den Autorinnen.