Vögeli AG: Wie die Natur drucken würde

Die Vögeli AG druckt, wie die Natur drucken würde
© Symbolbild: CRNA

„Als Familienbetrieb war uns Nachhaltigkeit schon immer wichtig“, sagt Markus Vögeli, der zusammen mit seinem Bruder das Emmentaler Druckunternehmen Vögeli AG in der vierten Generation führt. Die Druckerei nahm etwa eine Vorreiterrolle ein, als sie bereits vor über 15 Jahren entschied, auf den umweltschädlichen Isopropylalkohol (VOC) im Druckprozess zu verzichten. Markus Vögeli erklärt im Video, was diese Methode ist und wie sie das Denken der Vögeli AG in Bezug auf Nachhaltigkeit ganz neu gestaltet hat.

In der Schweiz konnten 2017 1,3 Millionen Tonnen Altpapier, also an die 80 % des Gesamtvolumens, wieder eingesammelt werden, um es wiederaufzubereiten. Dies scheint viel. Allerdings kann bei Weitem nicht die gesamte Menge des Altpapiers wiederverwendet werden. Nur der Zellstoff wird rezykliert. „Die übrigen 30 Prozent, hauptsächlich Farben und Füllstoffe, können nicht wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden“, bedauert Markus Vögeli. Es entsteht ein meist giftiger Klärschlamm, der auf der Sondermüll-Deponie entsorgt werden muss. Beim Recyclingprozess gehen somit noch viele Ressourcen verloren. Zudem ist der Prozess energieintensiv.

Mit dem Prinzip von Cradle to Cradle – auf Deutsch „von Wiege zu Wiege“ oder sinngemäss von Ursprung zu Ursprung – werden Produkte von Beginn an so konzipiert, dass sie wieder vollständig in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt werden können (Video dazu). Um dies zu gewährleisten, werden sämtliche Inhaltsstoffe auf gesundheits- und umweltrelevante Risiken untersucht und bei Bedarf ersetzt. Somit ist ein ganzheitliches Recycling von Papier, Farben und Zusatzmitteln möglich. „CtC-Produkte könnte man theoretisch sogar auf den Kompost werfen“, erklärt Markus Vögeli. Damit die Materialien aber direkt wiederverwertet werden können, sei es dennoch besser, sie ins Altpapier zu geben.

„Vor rund zwei Jahren erreichten wir jedoch einen Punkt, an dem wir nicht mehr wussten, wie wir noch nachhaltiger werden können. Eine externe Firma führte ein Energie-Check-up durch, konnte allerdings keine weiteren Energiereduktionsmassnahmen identifizieren. Wir waren zunächst etwas enttäuscht. Doch glücklicherweise entdeckten wir ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt die Methode von Cradle to Cradle im Druck.“

Die Vögeli AG ist die erste Druckerei in der Schweiz, die dieses Prinzip anwendet. Um Erfahrungen zur Anwendung von CtC austauschen zu können, hat sie sich mit zwei Druckereien in Österreich und Dänemark zusammengeschlossen. Zusammen bilden sie die Vereinigung «PrintTheChange» und arbeiten unter anderem auch an der Neu- und Weiterentwicklung von Materialien.

Was sind die Herausforderungen für die Vögeli AG?

Da die Anwendung von CtC im Druck relativ neu ist, musste die Vögeli AG zunächst nach Lieferanten der geeigneten Materialien und Produkte suchen. Die Umstellung der ersten 50 % ihrer Produktpalette zu CtC erlangte die Firma relativ einfach und innerhalb von nur sechs Monaten (allerdings sind bloss 15 % mit der Zertifizierung Cradle to Cradle Certified ausgewiesen). Das nicht zuletzt, da die Vögeli AG schon im Vorfeld viel Vorarbeit geleistet hatte.

Sie verfügte beispielsweise bereits über eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach. Weiter besitzt die Firma ein ausgeklügeltes System, das die Abwärme der Druckmaschinen zum Heizen wiederverwendet und somit den Stromverbrauch stark reduziert. Auch konnte die Firma die Produktion von Ausschuss-Papier bereits vorgängig markant verringern.

Vögeli AG – Business Sustainability Today

Für eine Umstellung der übrigen 50 % der Druckprodukte ist die Entwicklung von weiteren, neuen Materialien und Verfahren gefragt. Dazu ist ein enger Austausch mit Lieferanten, dem CtC-Netzwerk, aber auch Kunden notwendig. Markus Vögeli sieht diesen Austausch jedoch weniger als Herausforderung, sondern mehr als eine Chance. Er fördert Innovation und enge Geschäftsbeziehungen.

Zudem ermöglicht dies den Mitarbeitenden immer wieder, ihre Ideen einzubringen. Sie zeigten sich somit bedeutend motivierter: „CtC brachte für uns eine ganz neue Denkweise mit sich. Dem Prinzip getreu, überlegen wir nun nicht mehr, wie wir ein Produkt weniger schlecht machen können. Vielmehr suchen wir nach Wegen, um es von Grund auf gutzumachen.“

Was sind die Auswirkungen (Impact)?

Die Vögeli AG bedruckt pro Jahr rund 1’250 Tonnen Papier. Indem sie möglichst viel von ihrer Produktion nach CtC gestaltet, sorgt sie dafür, dass zu Lebenszyklus-Ende ein Grossteil davon frei von bedenklichen Stoffen in den Recyclingprozess einfliessen kann.

Wenn alle Druckprodukte in der Schweiz nach CtC konzipiert wären, könnte aus Altpapier zum Beispiel auch Lebensmittelverpackungen herstellen. Dies ist bisher aufgrund der schädlichen Stoffe, die in den Druckprodukten und somit im Altpapier enthalten sind, nicht erlaubt. Zudem wäre der im Recyclingprozess von CtC-Produkten anfallende Klärschlamm biologisch abbaubar und müsste nicht im Sondermüll entsorgt werden.

Welche Vision strebt die Vögeli AG an?

Momentan sind mindestens 15 % ihrer Druckprodukte nach Cradle to Cradle Certified™ zertifiziert. „Unsere Vision ist, dass in Zukunft all unsere Produkte CtC sind“, beteuert Markus Vögeli.

Wie kann der Lösungsansatz multipliziert und skaliert werden?

Der CtC-Lösungsansatz ist nicht nur auf die Druck-, sondern auch auf andere Branchen und Sektoren anwendbar. Im Detailhandel, der Textil- und Fashionindustrie existieren beispielsweise bereits CtC-Produkte, wie Haarwaschmittel oder T-Shirts.

Um sich auszutauschen und sich über Entwicklungen in anderen Sektoren zu informieren, nimmt die Vögeli AG auch an diversen CtC-Kongressen teil. Dieses Miteinander der „CtC-Community“ trägt für Markus Vögeli massgeblich zum Erfolg von CtC bei: „Wir sind dabei auch schon auf Materialien gestossen, die von Unternehmen in anderen Branchen entwickelt wurden – so kann man gemeinsam Innovation fördern.“ Als Beispiel nennt Herr Vögeli Nebenprodukte aus der Textilindustrie, welche sie für sich verwenden können. Dazu zählen CtC-kompatible Fäden für das Binden von Büchern und Magazinen oder Kordeln für Namensschilder und Papiertragtaschen.

Was die Intensivierung der Auswirkung von CtC in der Druckbranche betrifft, so müsste man alle Druckprodukte nach CtC herstellen, damit die Gesamtheit des Altpapiers im Recyclingprozess wiederverwertet werden könnte. Momentan sind wir noch weit davon entfernt. Je mehr Druckereien sich allerdings für eine Produktion nach CtC entscheiden, desto leichter erhältlich dürften CtC-verträgliche Produktkomponenten, wie Farben, werden. Ganz nach dem Prinzip: Nachfrage kreiert Angebot.