Städte müssen nachhaltiger werden. Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und eine alternde Bevölkerung betreffen als Megatrends auch die Schweiz – und verleihen dem SDG 11 auch hierzulande eine hohe Dringlichkeit. So sollte das Unterziel 11.b sollte schon bis 2020 erreicht werden. In diesem Unterziel inbegriffen sind die Entwicklung von integrierten Politiken und Plänen zur Förderung der Ressourceneffizienz und Abschwächung des Klimawandels. Laut UNO hatten bis Anfang 2021, 156 Länder und Gebiete Stadtentwicklungspolitiken erarbeitet. Um Ressourceneffizienz und klimaneutrale, oder gar klimapositve Entwicklungsansätze zu fördern, braucht es nicht nur integrierte Politiken und Pläne, sondern auch innovative Lösungsansätze. Dies nimmt, nebst Städten, auch die Baubranche und den Immobiliensektor in die Pflicht.
Städte müssen nachhaltiger werden. Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und eine alternde Bevölkerung betreffen als Megatrends auch die Schweiz – und verleihen dem SDG 11 auch hierzulande eine hohe Dringlichkeit. So sollte das Unterziel 11.b sollte schon bis 2020 erreicht werden.
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In diesem Unterziel inbegriffen sind die Entwicklung von integrierten Politiken und Plänen zur Förderung der Ressourceneffizienz und Abschwächung des Klimawandels. Laut UNO hatten bis Anfang 2021 156 Länder und Gebiete Stadtentwicklungspolitiken erarbeitet. Um Ressourceneffizienz und klimaneutrale oder gar für das Klima positive Entwicklungsansätze zu fördern, braucht es nicht nur integrierte Politiken und Pläne, sondern auch innovative Lösungsansätze. Dies nimmt, nebst Städten, auch die Baubranche und den Immobiliensektor in die Pflicht.
Business Sustainability Today hat mit Prof. Dr. Susanne Kytzia, Leiterin des Instituts für Bau und Umwelt (IBU) an der Ostschweizer Fachhochschule, zum Thema SDG 11 und den Rollen der Baubranche und des Immobiliensektors in der Erreichung dieses Ziels gesprochen.
Business Sustainability Today:
Inwiefern können und müssen die Baubranche (hier: Bauunternehmen und die Baustoffindustrie) sowie der Immobiliensektor (in den Bereichen Erstellung und Entsorgung), einen Beitrag zur Erreichung von SDG 11 leisten? Insbesondere in Bezug auf Ressourceneffizienz, Abschwächung des Klimawandels und Steigerung der Widerstandsfähigkeit.Susanne Kytzia:
Die Baubranche kann und muss natürlich eine Vorreiterrolle in der Erreichung des SDG 11 einnehmen, und zwar in den Bereichen Werterhaltung und -erneuerung, Innovation wie auch Kreislaufwirtschaft:Erstens bei der Werterhaltung und -erneuerung von Städten und Siedlungen: Baustoffunternehmen wie Ziegeleien haben bestimmte Erfahrungen mit einem Baustoff wie auch entsprechende technische Kompetenzen und können sich in den Bereichen Sanierung, Instandhaltung und Instandsetzung engagieren. Die Frage, die sich stellt: Wie kann ein Reframing erreicht werden? Anstelle von Umsatzorientierung mit Kubikmeter verkauftem Baustoff sollten die Firmen eine Dienstleistungsorientierung einnehmen, bei der weniger Baustoffe eingesetzt und der Fokus auf Erhalt und Expertise im Bereich Sanierung gelegt wird.
Zweitens bezüglich Innovation: Im Bereich der Innovation werden Baustoffe mit bestimmten Merkmalen benötigt, die den Bau einer nachhaltigen Siedlung ermöglichen. Das können energetische Eigenschaften sein, unter anderem Speicherfähigkeit (Ziegel oder Beton) oder Dämmeigenschaften (Dämmstoffe aus Biomasse), aber auch Besonderheiten, die zu einer Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden beitragen können, etwa zum Schutz gegen Brand/Erdbeben (etwa Beton), oder zu einer Erhöhung der Nutzfläche durch Erweiterung/Aufstockung (insbesondere Holz).
Drittens, mit Blick auf eine Kreislaufwirtschaft: Die Branche muss sich hinsichtlich des SDG 11 so aufstellen, dass das Ressourcenmanagement um Bulk Materials unterstützt wird. Das machen einzelne Unternehmen gut und sind damit wirtschaftlich auch erfolgreich, etwa die Firma Eberhard. Momentan hat man auf der Entsorgungsseite die grösseren Margen – vor allem, wenn beim Rückbau Schadstoffe anfallen. Mittel- und langfristig sollten diese Unternehmen aber auch vermehrt durch den Einsatz von Sekundärbaustoffen aus dem Rückbau profitieren.
Der grössere Hebel liegt bei der Immobilienbranche. Immobilieneigentümer entscheiden, in welche Richtung die Entwicklung des Immobilienbestands geht, speziell im Bereich Sanierung und Ersatzbau. Mit jeder Sanierung werden Immobilien durch Bauvorschriften energieeffizienter, sodass Städte und Siedlungen zwangsläufig immer energieeffizienter werden. Allerdings geht es mit Sanierungen nicht schnell genug in Bezug auf Klima und Klimaschutz.
Business Sustainability Today:
Unsere «Focused Reporting»-Analyse von 150 Schweizer Nachhaltigkeitsberichten zeigt, dass Baugewerbe und Zulieferer zu den Top-3-Sektoren gehören, wenn es um wirkungsorientierte Zielsetzung geht.Etwas weniger als die Hälfte der analysierten Unternehmen in diesem Sektor setzt smarte und wirkungsorientierte Ziele (44 %). Der Immobiliensektor auf der anderen Seite zeigt Nachholbedarf: Hier liegt der aktuelle Wert nur bei 10 %. Woran könnte das Ihrer Meinung nach liegen? Und wie können die Baubranche und der Immobiliensektor motiviert werden, sowohl SMARTe als auch wirkungsorientierte Ziele zu setzen und diese mit innovativen Massnahmen umzusetzen?
Susanne Kytzia:
Viele Unternehmen in diesen Branchen setzen sich wirkungsorientierte Betriebsenergieziele. Für Bewirtschafter eigengenutzter Immobilien ist es sinnvoll, wirkungsorientierte Ziele zu setzen, weil dies auch dankbare Ziele sind: Man kann nur besser werden. Immobilienentwickler mit anschliessenden Verkaufsabsichten interessiert aber die Betriebsenergie weniger. Sie bauen nach dem vom Baurecht geforderten Standard, es sei denn, der Markt wünscht höhere Standards wie Minergie-ECO. Für Immobilieneigentümer, die ihre Immobilien vermieten, steht die Frage im Vordergrund, wer die Investitionen oder Sanierungen finanziert.Sie profitieren nicht direkt von einem Energieeffizienzgewinn, da die Heizkosten als Nebenkosten auf die Mieter überwälzt werden können. Erst seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, die Kosten einer energetischen Sanierung als «wertsteigernde Investitionen» durch Mieterhöhungen weitergegeben werden. Dadurch entsteht ein Anreiz für den Immobiliensektor zur energetischen Erneuerung des Gebäudebestands. Allerdings erleben wir momentan ein Rollback beim Mieterschutzverband, der einer weiteren Mietzinserhöhung in Städten entgegenwirken soll.
In Bezug auf Sanierungen gelten Genossenschaften als Vorreiter der Branche. Keiner saniert so viel wie diese. Demgegenüber sitzt ein Grossteil der Privateigentümer auf einem immer noch vermietbaren Gebäudebestand, bei dem Sanierungen nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, und schöpft ab, da solche Altbauten zum gleichen oder sogar höheren Preis vermietet werden können.
Business Sustainability Today:
Reichen die smarten und wirkungsorientierten Ziele der Baubranche, um das SDG 11 zu erreichen? Und wenn nicht, welche Themen müssen zur Erreichung dieses Ziels ebenfalls beachtet werden?Susanne Kytzia:
In unserem NFP73 Co-Creation-Lab «Sustainable Housing and Construction» arbeiten wir an Strategien zur Reduktion von Wohnraumbedarf. Ich bin überzeugt, dass dies eines der zentralen Themen für die Schweiz in den nächsten 20 bis 30 Jahren ist und sein wird.Wir sind gefordert, uns mit der begrenzten Fläche sowie einer sich demografisch verändernden Bevölkerung auseinanderzusetzen und auch andere soziale Anliegen stärker aufzunehmen. Entsprechend müssen wir unsere alternde Bevölkerung in einer Weise betreuen können, ohne dass sie vereinsamt. Zudem ist eine nachhaltige Siedlung auch eine Siedlung, in der es finanzierbaren, sozialverträglichen Wohnraum gibt. Und das sind nicht Einfamilienhaussiedlungen mit grossen Häusern, in denen betagte Menschen einmal am Tag von der Spitex besucht werden, die dann der einzige soziale Kontakt ist, den sie noch haben.
Business Sustainability Today:
Welche bahnbrechenden Beispiele kennen Sie, die massgeblich zum Thema Ressourceneffizienz und zur Abschwächung des Klimawandels beitragen? Und was können andere Branchen von der Baubranche lernen?Susanne Kytzia:
Es sind leider die Wohnbaugenossenschaften, die Vorbildcharakter haben. Bedauerlicherweise, weil Genossenschaften eine Nische mit kaum skalierbarem Ansatz darstellen. Die Annahme, dass die ganze Schweiz in Wohnbaugenossenschaften leben wird, geht an der Realität vorbei – das ist weder gewollt noch besonders sinnvoll.Für besonders interessant halte ich den Bottom-up-Ansatz von einigen Genossenschaften, zum Beispiel das Mehrgenerationenhaus Giesserei in Winterthur, das sich selbst aufgebaut und finanziert hat.
Auf dem freien Immobilienmarkt sieht man solche Projekte eher selten, da sie Rendite benötigen, um einen Investor zu gewinnen. Eine Lösung könnten alternative Finanzierungswege sein, bei denen Pensionskassen auf einen Teil der Rendite verzichten, sofern es sich um eine stabile Anlage handelt. Städte können zudem Parzellen im Baurecht vergeben und so einen gewissen Kostenvorteil schaffen, der sich wiederum positiv auf die Rendite auswirkt und gleichzeitig zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt.
Eine vielversprechende Entwicklung in der Immobilienbranche sind die sich verändernden Konsumentenpräferenzen während Corona in Bezug auf Shared Spaces. Das Angebot für Shared Spaces, die man als Homeoffice kurzzeitig mieten konnte, war einer gewissen Not seitens der Arbeitnehmenden geschuldet. In den «normalen» Büros sind auf der anderen Seite Vakanzen entstanden, die wahrscheinlich bleiben werden, da nicht mehr alle Beschäftigten ins Büro zurückkehren werden. Gezielte Nachfrage hat hier daher eine bestimmte Art von Angebot gefördert. Wenn es so etwas auch im Wohnbereich geben würde, dann hätte das natürlich sehr positive Auswirkungen auf ein ressourceneffizientes Angebot. So könnte auch soziales, bezahlbares Wohnen für eine alternde Bevölkerung gefordert werden.
Business Sustainability Today:
Die neueste Forschung, an der Sie auch beteiligt sind, zeigt, dass eine Umstellung zu einer Kreislaufwirtschaft auf regionaler Ebene schwierig ist. Können Sie genauer erklären, wie eine solche Umstellung funktioniert und was sie so schwierig macht?Susanne Kytzia:
Heute differenzieren wir zu wenig zwischen Dienstleistungen in der Abfallwirtschaft, welche die Kreislaufwirtschaft fördern, und solchen, die das nicht tun. Ein anschauliches Beispiel sind Bau- und Abbruchabfälle, die entweder deponiert oder als Baumaterial wiederverwendet werden können. Wenn man mit beiden Dienstleistungen gleich viel Geld verdienen kann, verringert das den Anreiz, auf Kreislaufwirtschaft umzustellen. Eine weitere Problematik: Je teurer die Gebühren für Deponien werden, desto mehr erhöhen sich die Einnahmen der Grundeigentümer, welche die Fläche zur Deponierung zur Verfügung stellen.Zudem haben wir in unseren Forschungsresultaten festgestellt, dass, auch wenn die Abfallentsorgungskosten teurer werden, diese trotzdem gedeckt werden können, da die grosse Wertschöpfung im Bauprozess liegt.
Kurz gesagt, bedeutet dies, dass sich ein solches System relativ schlecht für ökonomische Anreize eignet. Somit müssen zur Erreichung von SDG 11 stärkere Anreize zur Wiederverwertung anstatt zur Entsorgung geschaffen werden.
Ich muss allerdings hinzufügen, dass, je länger ich darüber nachdenke, ich nicht mehr sicher bin, ob die Kreislaufwirtschaft in diesem Sektor wirklich die Lösung für alles ist. Lange Zeit war ich überzeugt, dass der richtige Weg über Ersatzneubau und energetische Erneuerung führt. Da es sich um langlebige Güter handelt und die Zyklen auf lange Zeiträume angelegt sind, wäre es vielleicht nachhaltiger, in die Dauerhaftigkeit zu investieren – das heisst weniger abreissen und mehr sanieren. Dadurch wäre weniger Material im Kreislauf und eine Kreislaufwirtschaft würde entsprechend an Bedeutung verlieren.