Wenig bekannt, aber ein Fakt: Pro Kopf sind die Umweltauswirkungen der globalen Lieferketten der Schweiz im Vergleich mit Europa am höchsten. Entsprechend viel Potenzial für Verbesserungen liegt hierzulande brach. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse und Strategien zur Optimierung der Wertschöpfungsketten für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik zusammen.
Die Nachhaltigkeit in Lieferketten zu verbessern bedeutet – wie in anderen Disziplinen unternehmerischer Nachhaltigkeit – ökologische, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen zu erfassen und zu verbessern. Dies hat Auswirkungen auf die Unternehmensführung entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Produkten und Dienstleistungen.
Gesetzliche Vorgaben in der Schweiz im Kontext von Wertschöpfungsketten
Die Schweiz besitzt bereits eine Reihe gesetzlicher Normen, welche Unternehmen in die Verantwortung für ihre Lieferketten nehmen. So etwa die Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit. Sie verpflichtet Unternehmen, ihre Lieferketten auf Menschenrechts- und Umweltverträglichkeit zu überprüfen. Solche gesetzlichen Rahmenbedingungen fördern die Implementierung nachhaltiger Praktiken in der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette. Auch Gesetze aus dem Ausland sind zu beachten. So findet für Schweizer Unternehmen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) unter gewissen Bedingungen Anwendbarkeit. Im Rahmen von OR 964 und der Klimaberichterstattungsverordnung können sich Unternehmen auch an TCFD orientieren und über ihre Lieferkettenemissionen (Scope 3) berichten.
Zugleich setzt die öffentliche Hand Nachhaltigkeitskriterien in der öffentlichen Beschaffung um. Sie schafft damit einen Anreiz für Lieferanten, im privaten Sektor nachhaltige Praktiken zu implementieren. Weil nur die Erfüllung dieser Kriterien es ermöglicht, sich für öffentliche Ausschreibungen zu qualifizieren.
Das Schweizer Bundesamt für Umwelt BAFU hat in diesem Zusammenhang einen lesenswerten Umweltatlas zu nachhaltigen Lieferketten publiziert. Wertvolle Orientierung bietet auch das Nationale Forschungsprogramm NFP 73. Das Programm unter der Schirmherrschaft des Schweizerischen Nationalfonds stellt auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse im Web unentgeltlich Handlungsempfehlungen und Best Practices für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik zu nachhaltigen Lieferketten zur Verfügung.
Das NFP 73 entwickelt Wissen für eine nachhaltige, ressourcenschonende Wirtschaft in der Schweiz, das Wohlstand fördert und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Das White Paper des NFP 73 empfiehlt im Kontext von Lieferketten einen innovativen Governance-Ansatz, um den hohen Umweltauswirkungen durch die globalen Lieferketten in der Schweiz effektiv entgegenzutreten. Politikempfehlung ist ein ‚Smart Mix‘ (Hybrid Governance) aus verbindlicher Gesetzgebung und freiwilligen Massnahmen von Unternehmen. Dieses Konzept der Hybrid Governance ermöglicht es, die Stärken von Privatsektor und Regulierung zu vereinen, indem es klare gesetzliche Rahmenbedingungen mit dem Innovationspotenzial und der Flexibilität der Unternehmen kombiniert.
Der Einsatz solcher Modelle kann Schweizer Unternehmen dabei unterstützen, ihre globalen Lieferketten nicht nur verantwortungsvoller zu gestalten, sondern auch deren Resilienz zu stärken, indem sie sich proaktiv an sich ändernde Umweltstandards anpassen und diese sogar vorantreiben.
Was versteht man unter einer nachhaltigen Supply Chain?
Nachhaltige Lieferketten integrieren Prinzipien der Umweltverträglichkeit, sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Lebensfähigkeit in jeden Schritt der Lieferkette. Von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktlieferung soll jede Stufe zur langfristigen Wertschöpfung beitragen. Dies sowohl im Sinne des Unternehmenswerts als auch im Hinblick auf den gesellschaftlichen und ökologischen Wert.
Digitalisierungsprozesse spielen in diesem Prozess zur Optimierung von Supply Chains eine entscheidende Rolle. Durch den gezielten Einsatz von Technologien wie IoT oder Blockchain können Unternehmen Transparenz und Effizienz in ihren Lieferketten massgeblich steigern.
Strategien & Best Practices zur Optimierung der Lieferkette
Die Optimierung der Lieferkette und nachhaltiges Lieferkettenmanagement sind Zwillinge. Für Schweizer Unternehmen, die ihre Wertschöpfungsketten nachhaltiger gestalten möchten, bieten sich verschiedene Strategien an. Dazu gehören:
- Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Beschaffungsprozesse
- Entwicklung und Umsetzung von sorgfaltspflichtigen Ansätzen
- Einsatz von nachhaltigen Logistikkonzepten und -systemen
Das NFP 73 hat im Rahmen des Schwerpunkts nachhaltige Lieferketten gleich drei Projekte umgesetzt:
Die Erkenntnisse aus den drei Studien bieten Unternehmerinnen und Unternehmern ebenso wie Politikerinnen und Politikern bei der Umsetzung von zukunftsfähigen Strategien wertvolle Orientierungshilfen. Alle drei Projekte und die Learnings daraus werden nachfolgend als kurze Zusammenfassung skizziert:
Projekt 1: Neuer Ansatz für Energie- und Materialkreislauf
Ziel war es, zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen vom Verbrauch privater Haushalte und von Lieferketten in der Schweiz beizutragen. Über bereits bestehende Berichte hinaus hat das Projekt ein reproduzierbares Ergebnis einer präzisen Analyse von Lieferketten und Umweltauswirkungen hervorgebracht. Darin werden sowohl die Lieferkette der Schweiz als auch globale Lieferketten abgebildet.
Zugleich wurde ein Ansatz entwickelt, der in einer Datenbank eine Betrachtungsweise zum Energie- und Materialkreislauf nach dem Prinzip von Bottom-up und Bottom- down kombiniert. Dies ergänzt um weitere Faktoren wie soziale Auswirkungen, kritische Ressourcen und Lieferkettenunterbrechungen.
Projekt 2: Nachhaltigkeitskriterien für das öffentliche Beschaffungswesen
Ein interdisziplinäres Forschungsteam hat bestehende Praktiken der nachhaltigen Beschaffung untersucht und ein spezifisches Set an Nachhaltigkeitskriterien für öffentliche Ausschreibungen in der Schweiz entwickelt. Diese Kriterien wurden daraufhin auf ihre Übereinstimmung mit dem Schweizer Recht überprüft.
Trotz der wachsenden Betonung von Nachhaltigkeit in öffentlichen Ausschreibungen gemäss dem nationalen Recht existiert derzeit kein standardisierter Rahmen für die Messung und den Vergleich von Nachhaltigkeit in diesem Bereich. Dieses Forschungsprojekt zielte darauf ab, diese bestehende Lücke zu füllen.
Projekt 3: Bewertung Wertschöpfungsketten in der Kakao-Industrie
In diesem durchgeführten Projekt wurden Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit von Kakaolieferketten entwickelt und angewandt. Angestrebt wurde, Chancen zur Verbesserung in einem transdisziplinären Rahmen zu ermitteln. Forschungsziel war auch, die Nachhaltigkeit und Resilienz der globalen Wertschöpfungsketten zu stärken, von denen der Schweizer Markt abhängig ist.
Schwerpunktmässig wurden die spezifischen Herausforderungen in diesen Lieferketten identifiziert, Beziehungen zwischen den Beteiligten analysiert und ein Rahmen zur Beurteilung der Resilienz auf Betriebsebene entwickelt.
Vorteile nachhaltiger Lieferketten
Die Implementierung nachhaltiger Lieferketten kann zunächst mit höheren Aufwänden verbunden sein. So etwa Beschaffungskosten für umweltfreundlichere Materialien oder nicht nur marktgerecht entlohnte Arbeitskräfte im Ausland. So einfach diese Beispiele klingen: In ihrer Umsetzung stellen sich dem Management oftmals komplexe Herausforderungen. Langfristig jedoch überwiegen die Vorteile.
Die Integration nachhaltiger Praktiken in Lieferketten bringt für Unternehmen eine Reihe signifikanter Vorteile mit sich. Diese sind sowohl ökonomischer als auch ökologischer Natur:
- Effizienzsteigerung und Kostensenkung: Nachhaltige Lieferketten sind oft effizienter. Weil sie auf die Minimierung von Verschwendung und Optimierungen von Ressourcennutzung abzielen. Dies führt zu einer Reduktion von Kosten. Beispielsweise durch geringeren Energieverbrauch, effizientere Logistikprozesse und die Wiederverwendung von Materialien.
- Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit: Unternehmen, die nachhaltige Lieferketten fördern, steigern ihre Wettbewerbskraft. Optimierte Abläufe führen zu gesteigerter Effizienz und damit steigt die Fähigkeit, sich am Markt behaupten zu können.
- Risikomanagement und Compliance: Mit nachhaltigen Lieferketten können Organisationen besser auf regulatorische Anforderungen reagieren. Risiken im Zusammenhang mit Umwelt- und Sozialstandards können minimiert werden.
- Reputationsgewinn und Kundenbindung: Ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement verbessert das Image eines Unternehmens. Es stärkt das Vertrauen der Stakeholder. Immer mehr Kunden lieben Marken, die Nachhaltigkeit leben.
- Reduktion der Umweltauswirkungen: Durch die Implementierung von nachhaltigen Methoden in der Lieferkette können Unternehmen ihren ökologischen Fussabdruck deutlich reduzieren. Das ist der CSRD-Berichterstattung zuträglich. Zu den häufigsten Erfolgen zählen u. a. die Minimierung von Abfall, die Verringerung von Treibhausgasemissionen und die Schonung natürlicher Ressourcen.
- Langfristige Stabilität und Zukunftssicherheit: Firmen, die nachhaltige Lieferketten pflegen, sind meist besser auf zukünftige Herausforderungen wie Rohstoffknappheit, Klimawandel und gesellschaftliche Veränderungen vorbereitet.
- Partnerschaften: Viele Schweizer Unternehmen setzen vermehrt auf Partnerschaften, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sie arbeiten mit NGOs, Regierungsbehörden und anderen Stakeholdern zusammen. Damit implementieren sie effektivere und umfassendere Nachhaltigkeitspraktiken in ihren Lieferketten.
- Branchenspezifische Initiativen und Programme: Branchenspezifische Initiativen und Programme fördern die Sustainability in Lieferketten ebenfalls: Zum Beispiel arbeitet die Schweizer Lebensmittelindustrie aktiv an der Reduzierung von Lebensmittelabfällen und der Förderung nachhaltiger Landwirtschaftspraktiken.
Für Unternehmen und Organisationen ist der erste Schritt zur Etablierung einer nachhaltigen Wertschöpfungskette die umfassende Analyse der bestehenden Lieferkette. Ausschlaggebend dabei ist die Festlegung klarer Nachhaltigkeitsziele und -kriterien. Diese unterscheiden sich je nach Standort und Marktumfeld (Mitbewerber). Immer aber sollten sie sich an nationalen und internationalen Standards orientieren und zwingend gesetzlichen Vorgaben genügen.
Die Integration einer nachhaltigen Wertschöpfungskette in die Unternehmensstrategie ist unabdingbar. Eine konsequente Umsetzung, Schulungen, transparente Kommunikation und Zusammenarbeit mit Lieferanten entscheiden über den Erfolg. Monitoring und regelmässige Überprüfungen garantieren, dass die Massnahmen greifen.
Fazit
Die Schweiz setzt mit ihrer Gesetzgebung und Initiativen wie dem NFP 73 wichtige Standards. Sie fördert die Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in Lieferketten. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Regierungsbehörden und NGOs belegt den transdisziplinären Ansatz, der für die Implementierung effektiver Nachhaltigkeitspraktiken erforderlich ist.
Wie das White Paper des NFP 73 resümiert, sollte die Schweizer Politik hybride Governance-Ansätze für eine nachhaltige Wirtschaft einführen, um Umweltauswirkungen entlang der Lieferkette zu berücksichtigen. Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger finden im White Paper zum Download detaillierte Informationen und Handlungsempfehlungen dazu.